welt-anschauungen ::

eine ein-leitung

[vorwort aus dem zeichen-buch "welt-anschauungen"]


welt-anschauungen, die welt anschauen, sich ein bild machen von der welt in der wir leben, sich viele bilder machen von den welten, durch die wir wandern, und dann diese bilder miteinander ver-binden. die ver-bindung dieser welt-anschauungen und das daraus ent-stehende bild - das ist mein ich, das BIN ich, das ist das be-greifbare etwas das ich bin, wenn ich mir ein bild mache von der welt, die ich bin.

"ich" - das ist der zwie-spalt, das ver-gleichen der verschiedenen, aus meinem welt-anschauen ent-standenen bilder. ohne welt-anschauung und den daraus entstandenen ein-bildungen bin ich nichts, bin ich nicht.


die welt anschauen: welche welt? die "innere"? die "äussere"? oder die "gesamte" welt, die gemein-same welt all derer, die sie be-völkern? die "heile" welt, die un-teilbare, die alles-seiende welt?


die welt be-schauen und die bilder dann fest-halten, um sie be-greifen zu können? um sich EIN bild von ihr machen zu können, und um sich an den bunten bildern zu freuen, um mit ihnen zu spielen? um sie miteinander ver-gleichen zu können, um ihren gemeisamen nenner finden zu können in ihnen, der ICH bin? welt-anschauung zur selbst-findung?


die welt anschauen und sich hineinstellen in sie, schauer sein in ihr und beschauter? teil sein zwischen un-zählbaren schauern und beschauten? auge sein der sich selber be-schauenden welt? teil sein, das gleichzeitig ganzes ist, da das beschaute un-teilbar ist?


die vor-gefertigten welt-anschauungen, die mit den verschiedenen gesell-schaften er-wuchsen und mit ihnen wieder ver-gingen: die re-ligiöse welt-anschauung, die philosophische, die wissen-schaftliche, die technische, die wirt-schaftliche, die funktionelle, die ur-sächliche, die re-aktionäre, die männliche welt-anschauung, die weibliche, die kindliche, die tierische, die pflanzliche, die mierale welt-anschauung der mensch scheint ein unermüdlicher schöpfer von welt-anschauungen zu sein.

und dann sind da auch noch die welt-anschauungen, die noch nicht vor-gefertigt sind, und die sich ein jeder in seinem langen oder kurzen leben selbst zusammen-basteln muss...


der mensch streitet für seine welt-anschauung, führt kriege, verteidigt sie, greift andere welt-anschauungen an, tötet dafür, stirbt für sie.

er scheint welt-anschauungen und den glauben daran not-wendiger zu brauchen als essen und trinken.


welt-anschauungen sind bilder, die mehr oder weniger lange an-halten: manche dauern nur einen augen-blick, manche einen tag, einen monat, ein jahr, einen lebens-abschnitt lang - manche auch ein leben lang.


welt-anschauungen können vor-stellungen sein, über-legungen, nach-denkungen, er-innerungen, oder auch un-bestimmte, wort-lose ein-drücke und gefühle: bilder, für die wir noch keine schub-lade gefunden haben.


welt-anschauungen, welt-bilder, das sind selbst-ständige wesen, die sich nicht lange einsperren lassen wollen. und wenn wir einmal eines in einen käfig sperren, hockt es sich traurig in ein eck und wartet, wird krank und stirbt. man sieht so manchen mit solch einem kranken, feder-losen oder toten vogel im käfig herumlaufen und sagen: seht, das ist meine welt-anschauung!


dasitzen
und die welt anschauen
und uns ein bild machen
von der welt
in der wir dasitzen
und die welt anschauen
und uns ein bild machen
von der welt
in der wir dasitzen
und die welt anschauen:
was weiter können wir tun?


die welt anschauen
und die bilder wahr-nehmen:
aber das wahr-genommene
kann nicht ein-verleibt werden


die welt anschauen, sich ein bild von ihr machen: wir leben und sterben in diesen bildern, sie sind unser lebens-raum. sie sind das intimste, das heiligste was wir haben: sie sind die welt in der wir leben, sie sind der stoff, aus dem unsere träume sind - und auch unsere wirklich-keiten.


gibt es eine "richtige" und eine "falsche" welt-anschauung? hat ein jeder seine eigene welt-anschauung, oder gibt es auch ein bild, das über allem schwebt, und das die geschauten welten miteinander verbindet oder in sich ein-verleibt? hat eine welt-anschauung einen anfang, ein ende?

sind die geschauten bilder fest, starr, tot, un-beweglich, oder leben sie, wachsen sie, und ändern sich jeden augen-blick, so dass wir dazu verdammt sind, unser leben lang hinter den bildern herzurennen, ohne sie jemals er-reichen zu können?


welche zusammen-hänge bestehen zwischen den einzelnen welt-anschauungen und ihren her-gestellten bildern? sind sie be-greifbar, ver-stehbar, wissbar? ist das geschaute, das vor-gestellte bild der welt das spiegel-bild der erlebten, der gelebten, der geseiten, der wirk-lichen? von einer welt-anschauung zur anderen gehen, hüpfen, kriechen, rennen - ist das das leben?


aber nicht um diese fragen zu be-ant-worten male, zeichne, schreibe ich. die bilder, zeichnungen und ge-dichte sind nichts weiter als fest-gehaltene wahr-nehmungen, also möglichkeiten, und keine wahrheiten. (wahrheit - ist das die summe aller möglichkeiten ?)

wahr-nehmungen ent-stehen, wenn sich ein wesen, das jeden augen-blick neu geboren wird, umschaut in der welt, in die es hineingestellt ist und die in es hineingestellt ist, wenn es die grenzen zwischen drinnen und draussen abzubauen bereit ist, wenn es drinnen und draussen wieder ver-einigen will, wenn es eins sein will mit allem.


diese bilder sind flüchtige, wert-lose augen-blicke, einige unter unzählbaren, die nichts von dir wollen, die einfach nur da sind, so wie auch die welt einfach nur da ist, in dir und um dich, und nichts von dir will.


droos
divinópolis, im mai 1999

 


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